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De Isern Hinnerk

 

Die mittelalterliche Geschichte Beckdorfs, die weitgehend im Dunkeln liegt, wird an der Stelle lebendig, wo Hinrik von Borch, der Knappe vom Dann-See, auftaucht. So schreibt Ludolf Lühmann in seinem Beckdorf Buch, und weiter:

Bild von L. Lühmann.

 

Der historische Sachverhalt

Als im 13. Jahrhundert die zentrale Herrschaft im Deutschen Reich zerbröckelte, bauten die Landesherren ihre Territorien aus und stärkten ihre Machtpositionen. Auch Rudolf von Habsburg (1273-1291) gelang es nicht vollends, dem Königtum wieder Ansehen und Geltung zu verschaffen. Schon zu Beginn des Jahrhunderts hatte Walther von der Vogelweide beklagt, dass Gewalt auf der Straße an der Tagesordnung sei und dass Friede und Recht sehr im Argen lägen. Mancher Kaufmann, der seine Wagen durch die Lande fahren ließ, musste das bestätigen.

Hinrik von Borch, der „Isern Hinnerk“ der Sage, war noch ein Kind des ausgehenden 13. Jahrhunderts. Er wurde um 1285 geboren. Sein Vater - er hieß auch Hinrik -, heiratete in diesem Jahre eine Tochter aus dem Adelsgeschlecht derer von Bliedersdorf, die Familie von Borch wohnte in Horneburg. Wundert es, dass der junge Mann von dem unheilvollen Zeitgeist berührt war und vielleicht davon angesteckt worden ist?

Was sich 50 Jahre vorher in Deutschland im Großen abgespielt  hatte -, es gab im Deutschen Reich von 1254 – 1273 des Interregnum, eine kaiserlose Zeit,  wiederholte sich im Erzbistum Bremen kurz nach 1300 im Kleinen. Nach dem Tode des Erzbischofs Giselbert am 18. November 1306 wurde der hoch betagte und schon hinfällige Heinrich von Golthorn zum Nachfolger gewählt, er starb nach nur viermonatiger Regierungszeit am 9. April 1307.

 

Die wahlberechtigten Gremien konnten sich nicht einheitlich für einen neuen Erzbischof entscheiden, so dass der erzbischöfliche Stuhl in Bremen vom 9.4.1307 – 11.2.1310 unbesetzt blieb. Es gab also drei Jahre lang keinen Landesherrn.

In dieser dreijährigen Vakanz wurden im Erzbistum Frieden und Ordnung arg erschüttert. Geradezu anarchische Zustände herrschten im Stiftsgebiet, einige deutliche Hinweise in den Quellen bestätigen das. Als der Däne Johann Grand am 11. Febr. 1310 vom Papst zum Erzbischof ernannt worden war, trat dieser sein Amt in Bremen nicht sogleich an, denn die Sicherheit für seine Person war nicht gewährleistet. In den „Regesten der Bremer Erzbischöfe“ ist in einer Eintragung am 24. Juli 1310 von „kriegerischen Unruhen“ in der Diözese die Rede, und noch einmal hören wir an anderer Stelle von „kriegerischen Zeitläuften“ im Erzbistum Bremen.

 

Als der neu gewählte Bischof dann endlich kam, ging es ihm um die Zurückgewinnung der erzbischöflichen Güter. In den drei Jahren ohne staatliches Oberhaupt hatten sich nämlich einige Herren erzbischöflichen Besitz angeeignet.

 

Einer dieser Unruhestifter ist Hinrik von Borch gewesen. Schon zu Beginn der Vakanz- 1307, hat er sich selbstherrlich den wichtigsten Besitz des Erzbischofs, das Schloss Vörde (Bremervörde), angeeignet. Er war zu der Zeit erst 22 Jahre alt: es war wohl die Tat eines jungen unvernünftigen Knappen! – Hinrik von Borch muss in diesen Jahren auch sonst Unruhe ausgelöst haben, denn es heißt in der schon genannten zeitgenössischen Quelle, dass er, nachdem er das Schloss geräumt hatte, „erneut“ Raubzüge unternahm.

Standesgenossen des jungen Knappen im Erzbistum waren mit seiner forschen Handlungsweise nicht einverstanden; im April 1310 schlossen sich auf Betreiben der Vögte von Stade, die Ritter Johann und Gottfried von Brobergen, der Ritter Arnold von Stade, Graf Johann von Stotel, Johann und Christian von Delmenhorst-Oldenburg und die Stadt Bremen zusammen, um Hinrik von Borch das Schloss Vörde zu entreißen.

Unter diesem Druck und auf Zureden seiner Freunde gab Hinrik das Schloss Vörde frei, nachdem ihm Freiheit und Straflosigkeit zugesichert worden waren. Dem Landesherrn, der inzwischen in Bremen eingezogen war (vor Nov. 1310), versprach er, von nun an Ruhe zu bewahren.

 

Das dauerte aber nicht lange. Er unternahm - wie schon gesagt - erneut „Raubzüge“, die sich auf lüneburgisches und verdensches Gebiet erstreckten. Wie diese „Raubzüge“ ausgesehen haben, wissen wir nicht. Um so mehr hat sich die Sage mit ihnen befasst und sie in den düstersten Farben gezeichnet, auch in der Geschichte der Bremer Erzbischöfe werden diese Taten - offensichtlich tendenziös -, übertrieben dargestellt.

Nun begann die etliche Monate oder gar nur wenige Wochen dauernde dramatische Phase im Leben des Hinrik von Borch. Erzbischof Johann exkommunizierte den Wortbrüchigen, d. h., er schloss ihn aus der Kirchengemeinschaft aus.

Der Bremer Erzbischof schloss nun einen Bund mit Herzog Otto (dem Strengen) von Lüneburg und Bischof Friedrich von Verden gegen den aufsässigen jungen Knappen. Die vereinigte „Streitmacht“ dieser drei Herren zog gegen Hinrik von Borch zu Felde und stellte ihn im Januar 1311 in der Burg Dann-See im Beckdorfer Moor.

Die Dann-See Burg wurde zerstört; doch der Knappe von Borch war nach Horneburg entkommen. Während die von Borchsche Burg dort belagert wurde, konnte er abermals fliehen. Erst auf der Flucht nahm man ihn gefangen und warf ihn im erzbischöflichen Schloss Vörde in den Kerker. Die Haft dauerte fünf Jahre.

In dieser Zeit kam es wegen der unduldsamen und geldgierigen Regierungsweise des Erzbischofs Johann zu einer gegen diese gerichtete Widerstandsbewegung, die sich zuletzt auf die ganze Diözese ausdehnte. Er trieb es so weit, dass das Domkapitel den Erzbischof 1316 für wahnsinnig erklärte, um ihn loszuwerden. Johann von Lüneburg, zum Administrator ernannt, ließ den in Vörde eingekerkerten Hinrik von Borch im gleichen Jahre, also 1316, frei. Er reihte sich nun in den allgemeinen Widerstandskampf gegen den Erzbischof ein und nahm aktiv daran teil.

Erzbischof Johann Grand, vom Volk verächtlich „Fürsaat“ (Feuersaat) genannt, ging an den päpstlichen Hof nach Avignon und kehrte nie mehr nach Bremen zurück. Er starb dort am 29.5.1327.

 

Nach den nur bruchstückartig vorliegenden Quellen ist es nicht möglich, ein Gesamtbild über Hinrik von Borch zu zeichnen. Sicher war er zu Beginn des 14. Jahrhunderts eine der bekanntesten Personen im Erzbistum Bremen. Seit 1310 gehörte er zu den Gegenspielern des Erzbischofs Johann. Sein Tun, durch die Sage und durch die voreingenommene kirchliche Geschichtsschreibung einseitig negativ verzerrt, bekommt eine andere Wertung, wenn man bedenkt, dass auf der Gegenseite ein Kirchenmann stand, dessen unheilvolle Herrschaftsweise Unwillen in der ganzen Diözese hervorrief.

 

Über den letzten Abschnitt der Lebenszeit des „Isern Hinnerk“ schweigen die Geschichtsquellen. Er wird 1343 letztmalig genannt.

 

 

 

 

                        

 

 

                                                     Wappen und Siegel der von Borg

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