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Trachten im Kirchspiel Apensen / Auf dem Delm.

 

Bei meinen Nachforschungen zur Wiederherstellung der Delmer Tracht habe ich mich anfangs mit der Tracht und deren Bedeutung befasst.

 

Das Wort „Tracht“ ist ein altes deutsches Wort für die Kleidung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe in einer eng umgrenzten Region. Gleichwohl hat sich die Tracht dem jeweiligen Zeitgeist angepasst, weil sich auch  die Traditionen verändert haben. So auch im Kirchspiel Apensen, bzw. im ehemaligen Gerichtsbezirk „Auf dem Delm“.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch gleich das Wort „Kirchspiel“ erläutern. Es ist das hochdeutsche Wort für „Karkspell ". Kark - steht für Kirche, Spell ist abzuleiten von spellen, gothisch spillan, althochdeutsch spillon, englisch to spell, bedeutet also sagen, lehren, verkünden.

Im Kirchspiel Apensen „Auf dem Delm“ war bis 1852 ein Patrimonialgericht mit weitreichenden Befugnissen. Hierzu gehörten neben den Dörfern des heutigen Kirchspiels Apensen, weitere Dörfer wie Bliedersdorf, Nottensdorf, Hedendorf und Neukloster.

Kirchen bildeten früher den Mittelpunkt des geisti­gen Lebens, so führten fast alle Verkehrswege -, meistens  schlecht ausgebaute Sandwege -,  zu unserem  Kirchdorf Apensen.

Bei der Anlage der Kirchen hat man mit Vorliebe die Orte ausgewählt, wo sich die Bevölkerung schon in heidnischen Zeiten versammelte.

 

 

 

 

In der Nähe der Kirchen siedelten sich später Gastwirte und Kaufleute an, dort in Apensen wurden  bis 1829 die Kram- und Viehmärkte abgehalten. Gleiches galt für die Schulen, sie wurden ebenfalls  zuerst in den Kirchspieldörfern eingerichtet, und  unterstanden der Kirchenaufsicht.

Durch all diese Maßnahmen kamen sich die Bewohner  näher, man kannte sich eben. So verwundert es nicht, dass in  jedem Kirchspiel im Bezug auf Sitten und Gebräuche, wie  auch im Dialekt und bei den Trachten eine Eigenentwicklung einsetzte.

Von meinem Lehrer Wendelken aus Beckdorf  wusste ich von der Existenz einer Delmer Tracht,  die  er in seinen unveröffentlichten Schriften wie folgt beschrieben hat:

„Trachten wurden bis etwa 1880 allgemein getragen. Im Kirchspiel Apensen waren sie überein. Die Frauen trugen zwei nach Farbe ver­schiedene Trachten, eine schwarze für Abendmahl, Trauung und Trau­erfälle  und für gewöhnlich einen roten Kleiderrock. Die Tracht bestand aus niedrigen Spangenschuhen oder Hausschuhen mit einer Wolltroddel, für besser mit silbernen Spangen besetzt, aus schwar­zen oder roten, selbst gestrickten Wollstrümpfen. Der Rock war aus Halbwollen selbst gewebt, sehr weit und in viele plisseeartige Falten gelegt, die am Backtag nach dem Backen mit dem heißen Brot eingebrannt wurden. Unten am Rock war ein bis zu 40 cm breiter, schwarzer Samtstreifen aufgesetzt.

Die Jacke war aus schwarzem Tuch, auch  „Laken" genannt angefertigt, dieser Stoff wurde gekauft. Die Jacke schloss eng an, die Ärmel hatten Samtaufschläge. Die Jacke hatte hinten und vorne einen viereckigen Ausschnitt bis zur halben Brusttiefe. Dieser wurde ausgefüllt durch einen Spitzenhalskragen, der vorn und hinten auf einem latzartigen Stück Leinen befestigt war.

 

 

 

 

Darüber trug man einen Schulterkragen aus schwarzer, geblümter Seide, der ebenfalls auf Leinen genäht war und einen Rand aus Silber- oder Goldborte trug. Der Kragen wurde auf einer Schulter geknöpft und unter den Armen mit Bändern festgebunden. Beim Festtagsgewand wurden die Samt-  und  Goldborten auf bunte Halbwolle genäht.

Vorn am Kragen wurde eine herr­liche silberne Spange, die mit grünen und roten Steinen besetzt war, getragen. Sie kostete damals vier Taler. Beim Abendmahlsgewand waren auf jedem Ärmel drei  silberne Knöpfe, die Untertaille war aus Laken.

Auf der Rückseite im Kreuz war eine wurstartige Hederolle befestigt, die den Rock halten musste. Zum Abendmahl trug die Frau außer dem täglich getragenen bunten Halstuch, das auf dem Rücken herunter hing, noch ein weißes Batisttuch mit zarter Spitze, das im Dreieck gefaltet wurde, vorn in feinen Falten gelegt und durch eine Brustschleife zusammengehalten wurde. Außerdem wurde zum Abendmahl eine schwarze Atlasschürze getragen, die so lang war wie das Kleid und mit einer Kette geschlossen wurde. Als Kopfbedeckung wurde eine Mütze aus schwarzer, gemusterter Atlasseide, mit schwarzen langen Bändern getragen.

 

 

Bei festlichen Anlässen trug man statt der schwarzen Bänder, solche mit leuchtend roten oder blauen Blumen.

Auch trug man einen Gürtel aus breitem Samtband mit silberner Schnalle (Liefhaken).

 

 

 

Alte Apenser- Delmer Tracht, getragen von Frau Bredehöft aus Apensen.

 

 Als Mantel trugen die Frauen einen großen, weiten, schwarzen Umhang aus Lakenstoff, der oben durch einen kleinen Kragen verziert und durch zwei Schnallen verschlossen wurde.

Es wurden mehrere (im Winter drei bis vier) Parchenunterröcke in allen Farben oder solche aus selbst ge­webter Halbwolle unten mit bunter eingewebter Kante getragen. Die Hemden waren langärmelig und aus selbst gewebtem Leinen herge­stellt. Alles war mit der Hand genäht.

Die Schulkinder (Mädchen) trugen schon lange, halbwollene Röcke und von der Konfirmation an, die richtige Tracht.

Die alltägliche Tracht für Männer waren schwarze leinene Beinklei­der, dazu ein schwarzer leinener Mantel. Im Winter wurde darunter eine halbwollene Jacke getragen.

 

 

 

Der Bräutigamsanzug bestand aus Laken­stoff, die Weste war bis an den Hals geschlossen, um den Hals trug man ein wollenes Halstuch. Die Hemden bestanden aus selbst gewebtem Leinen. Langschäftige Stiefel wurden unter der Hose getragen.

Die Brauthabe bestand damals aus Perlen und wurde der Braut vom Pastor während der Trauung geliehen. Ebenso lieh man sich die Trauringe.                           

 

 

 

 

Eine Brauthaube hat die Modistenmeisterin Erika Knispel aus Scheeßel nach alten Vorlagen für uns wieder hergestellt.

 

 

 

Bei der Arbeit trug man auch Holzschuhe, die oben mit Schafwolle besetzt waren. Auf dem Kopfe trug man eine selbst gestrickte schwarze Wollmütze mit Troddeln.

 

 

Zu Beerdigungen, zum Abendmahl und zu Hoch­zeiten wurde schon der Zylinder getragen. Die Strümpfe waren aus lila Wolle gestrickt.“

Soweit die Beschreibung der Apenser (Delmer) Tracht durch Lehrer Wendelken.

Die Apenser Tracht ist vergleichbar und identisch mit den Trachten der Börde Sittensen und der in Scheeßel. Nur ist der Trachtenrock  in Sittensen blau -  und in Scheeßel grün gewebt. In allen drei Kirchspielen gab es neben der Festtagstracht aber auch die schwarze (ehrbare) Trauertracht.

 

 

 

Bei meiner Suche nach den Delmer Trachten fand ich 1984 eine gut erhaltene Tracht bei Lydia Falk in Apensen. Frau Falk konnte sich noch gut an ihre Oma, Frau Maria Bredehöft geb. Beckdorf erinnern. Frau Bredehöft 1866 geboren, hat die Apenser Tracht noch lange  zu bestimmten Anlässen getragen. Weitere Trachtenröcke vom Delm fand ich in Nottensdorf und in Bliedersdorf, nur waren diese Röcke  schon ziemlich ausgeblichen.

Der bei Familie Falk vorgefundene Trachtenrock war  burgunderrot  (Ochsenblutrot) und wurde in einer alten Truhe aufbewahrt. Hierin  lag er aufgerollt und im Inneren  mit zerschnittenen Tabakblättern ausgelegt, so schützte man den Rock in früheren Zeiten vor Kleiderschädlingen.

Diese Originaltracht zeigte ich sodann Frau Hötsch aus Ruschwedel, die sich im alten Webhandwerk auskannte. Nachdem sie den Trachtenrock näher untersucht hatte, wurde er wieder mit Tabakresten eingewickelt und in die Truhe zurückgelegt. Um die originalgetreue  Farbkombination  zu erreichen, haben wir auf kleinen Webstühlen Proben angefertigt, und hatten sehr schnell Erfolg. Die burgunderrote Farbe entsteht nämlich, wenn eine auf dem Webstuhl gespannte „Kette“ aus schwarzem Wollgarn, mit einem  „Schuss“ aus rotem Garn verwebt wird.

Auf dieser Grundlage wurde mit der Neuanfertigung der Tracht begonnen, die ersten Röcke wurden dann  auch von Frau Hötsch gewebt.                    Der Trachtenrock bestand aus fünf Bahnen a. 68 cm, dabei ist die vordere Seite glatt, da dieser Teil später von der Schürze verdeckt wird.                  Die anderen -, hinteren vier Bahnen, sind mit 52 Falten etwa 1.5 cm tief plissiert. Das Plissieren der Falten wurde von einer Firma in Bremen vorgenommen.

Die Anfertigung der neuen Trachtenröcke, und die dazugehörenden   Blusen (Westen) und Schürzen, wurden anhand der Beschreibung von Lehrer Wendelken, in der Schneiderei von Hans Heinrich und Erika Holst  vorgenommen.

Ein wichtiges Detail der Tracht war und ist  immer die Schürze, sie war nicht nur schwarz (Trauertracht), wie man es mir anfangs bei meinen Recherchen erzählte,  sondern auch blau und weiß. Immer aber war sie im unteren Bereich mit drei Streifen Ausbrennersamt, oder Bordüren verziert.

 

In meinen Gesprächen mit älteren Einwohnern, die selber noch ihre Trachten getragen haben erfuhr ich, dass die Schürzen für jede Frau eine sehr wichtige Rolle spielten. Damit konnte man sich bei Besuchen, aber auch sonst, so z.B. von der Nachbarin oder anderen Gästen etwas abheben, auch noch heute ist dieser Umstand für eine Frau sehr wichtig.

 

Die Hauben, von Wendelken Mützen genannt, konnten ebenfalls im Originalzustand gefunden werden. Auf dieser Grundlage sind dann neue Hauben genäht worden.

 Im normalen Alltagsleben wurde im Kirchspiel Apensen eine ganz einfache Haube, auch Mopp genannt, getragen, sie diente in erster Linie dazu, dass lange Haar zu schützen, welches unter der Haube zu einem Dutt zusammen gebunden wurde.

 

 Nur zu besonderen Anlässen wird die Brauthaube von der Volkstanzgruppe mit der Brauttracht getragen. Eine Brauthaube war früher nicht in jeden Haushalt vorhanden, sie wurde von den Kirchen  zur Hochzeit verliehen.

 

 

Wer es sich erlauben konnte, trug zur Delmer Tracht edlen Schmuck, der ebenfalls vergleichbar bei der Sittenser und Scheeßler Tracht getragen wird. Die Gürtelschließen, Hemdspangen, Schuhspangen usw. wurden früher  in  Goldschmiedewerkstätten in Buxtehude und Bremervörde hergestellt. Nach den von mir gesammelten alten Vorlagen, hat der Apenser Goldschmied Karl Heinz Janke den Schmuck originalgetreu nachgearbeitet.

 

 

Diesen Trachtenschmuck habe ich ebenfalls mit dem vorgefundenen Originalschmuck, der Trachtengruppe übergeben.

Die Männer trugen an Sonn- und Feiertagen, wie auch alltags,  ein weißes gestreiftes Hemd ohne Kragen. Zu besonderen Anlässen und zum Kirchgang wurde darüber eine Chemisette getragen, es verdeckte damit  das gestreifte weiße Hemd. Darüber trug man eine schwarze Weste, in deren Seitentaschen sich die Taschenuhr befand. Die Uhr war an  einer silbernen -,  oder wer es sich leisten konnte -, einer goldenen Kette befestigt.  Die Jacke über der Weste war zu Beginn des Jahrhunderts  halblang aus schwarzem Wollstoff gewebt, später trug man zu besonderen Anlässen und zum Kirchgang einen Gehrock. Der Hemdabschluss am Hals erfolgte mit einem gestärkten weißen Kragenteil, vorne mit einer Krawatte oder Fliege geschlossen.

An Sonn und Feiertagen trug man eine schwarze Hose, darunter  entweder  Schuhe oder Stiefel, bei der Arbeit trug man eine Leinenhose, später eine Hose aus Manchester.  

Der Kopf war mit einer Mütze (Elbsegler) bedeckt,  zum Kirchgang, bei Hochzeiten und Beerdigungen trug man einen Zylinder. Die Mütze wurde nur in der Kirche oder wenn ein Trauerzug vorbeizog, abgenommen, ansonsten demonstrierte  man damit,  dass man sein Haupt (Kopf) vor niemanden entblößte.

 

 

Zusammen mit dem Verein zur Förderung der Kinder- und Jugendarbeit auf dem Delm, der die Gesamtfinanzierung der Trachtenherstellung übernommen hatte, konnte ich  am 8. Oktober 1984 im Delmer Hof in Apensen acht Festtagstrachten, zwei ehrbare Trachten und die Hochzeitstracht der Öffentlichkeit vorstellen.

 

Die eigentliche Übergabe der Trachten an die Volkstanz – und Trachtengruppe innerhalb des Vereins Die Kranzbinder Beckdorf e.V. erfolgte am 21. Februar 1986 in den Klönstuben, vormals Möllers Gasthof in Beckdorf.

 

 

 

 

 

Die Volkstanz- und Trachtengruppe beim Trachtenfest 2006 in Jork.

 

 

Rückblickend möchte  ich feststellen, es war eine interessante Aufgabe  die Apenser (Delmer) Tracht wieder herzustellen, damit wurde für die Zukunft ein  wichtiges Kulturgut erhalten.  

 

 

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