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 Die Dann-See Burg.

 

Hinrich Prigge, ein gebürtiger Beckdorfer, hat sich viele Jahre um den Dann-See gekümmert. Es ist sein Verdienst, die dortigen Bodenfunde gesammelt, untersucht und ausgewertet zu haben. Dadurch hat er einen wesentlichen Beitrag zur „Isern Hinnerk-Forschung“ geliefert. Die Ergebnisse seiner Arbeit hat er 1958 einem längeren Aufsatz veröffentlicht.

 

Prigge hat den Dann-See immer wieder aufgesucht. Auffällig war ihm, dass die Torfgräber auf den Moorflächen um den See oft auf Steine und Holzteile stießen, die ihnen ihre ohnehin schon mühevolle Arbeit erheblich erschwerten.

 

Alle Stein-Geschoß-Kugeln, die H. Prigge dort fand oder zu sehen bekam, hatten einen Umfang von 100-116 cm und ein Gewicht zwischen 94 und 101 Pfund. Diese Regelmäßigkeit war kein Zufall. Es war klar: Diese Steine mit ihrer kugelähnlichen Gestalt waren fast alle von Menschenhand bearbeitet worden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stein-Geschoß-Kugeln aus dem Dann-See im Beckdorfer Moor;

 

 

 

 

 

Jahr für Jahr wurden weitere Steinkugeln gefunden, große Mengen dieser merkwürdigen Geschosse aus dem Mittelalter waren schon vor rund 100 Jahren verarbeitet worden, ohne dass man von ihrer Bedeutung etwas wusste. Um 1887 lieferte Johann Müller 30 cbm Steine dieser Art für den Straßenbau zwischen Sauensiek und Bockhorst. Zum Bau der Brunnen auf den Hofstellen der Bauern Müller und Prigge in Beckdorf wurden 1870 - 50 Steingeschosse aus dem Dann-See verwendet. Hinrich Prigge schreibt zusammenfassend: „800 bis 900 Steinkugeln hat das Gelände um den Tannensee nachweislich freigegeben. Fast alle seit 1932 geförderten Steingeschosse habe ich persönlich gesehen. Sie wurden zum großen Teil von mir vermessen.“

 

Zwei Plätze, auf denen die Steinmetze der mittelalterlichen Belagerungstruppe saßen und die Natursteine bearbeiteten, sind bekannt. Der eine Schlagplatz lag auf dem heutigen Grundstück des Bauern Johs. Prigge, Beckdorf, der andere westlich der Burg in Richtung Revenahe. Die Steinmetze rundeten die Steine zu halbwegs kugelartigen Gebilden und verliehen ihnen die annähernd gleiche Schwere. Das Gewicht der Steingeschosse musste ungefähr übereinstimmen, weil sie durch eine feststehende „Wurfmaschine“ auf die Burg geschleudert wurden.

 

Südlich der Insel im Dann-See wurden große Mengen von Holzteilen (Pfähle, Balken und Bohlen) gefunden; dies waren wahrscheinlich die Überbleibsel einer Brücke, über die die Burg zu erreichen war.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Burg ist von Süden her mit den Steinkugeln „beschossen“ und zerstört worden. Da um 1300 noch keine Pulvergeschütze in Deutschland nachweisbar sind, muss angenommen werden, dass die Stein-Geschoß-Kugeln mit einer Blide, einem Hebelgeschütz, durch die Luft geschleudert wurden.

 

Steinschleuder (Blide)

 

Die Belagerung der Burg im Dann-See im Jahr 1311 war der Höhepunkt in der Auseinandersetzung zwischen dem Bremer Erzbischof Johann und dem jungen Adeligen aus Horneburg. Welch wogendes Getümmel und lautes Geschrei muss das im Beckdorfer Moor gewesen sein! Der Frost machte das Moor passierbar. Die Verteidiger der Burg konnten sich wohl zunächst hinter Palisaden und durch Offenhalten des Wassers schützen, das die Burg umgab.  Die Bauern der nahe gelegenen Dörfer, an Hand- und Spanndienste gewöhnt, karrten die Rohlinge heran, die Steinmetzen hämmerten den ganzen Tag, und die Blide wuchtete die schweren Felsbrocken in hohem Bogen durch die Luft. Dieses Bombardement hat die Dann-See Burg nicht überstanden.

 

In der Schulchronik Revenahe/Kammerbusch heißt es, Hinrik von Borch habe in Kammerbusch Schafe, in Revenahe Rinder und in Borrel Pferde gehalten. Weiter erzählt die Schulchronik, dass die Bauern beim Moorbrennen einen Knüppeldamm freigelegt hatten, der vom Dann-See direkt auf den“Ställ“ ging. Der „Ställ“ (Stell) ist die Flurbezeichnung für die höher gelegenen heutigen Ackerflächen, die sich an das Dann-See-Moor in Richtung auf das Dorf Revenahe anschließen. Was der Lehrer von Revenahe von den Bauern hörte, passt auffallend gut zu den zitierten Berichten in der Geschichtsliteratur über Revenahe und Kammerbusch als Vorwerke des Isern Hinnerk und seiner Burg im Dann-See (I.H. Pratje: Altes und Neues aus den Herzogtümern Bremen und Verden, Band 3, S. 149, Stade 1771).


Es ist daher anzunehmen, dass auf dem Dann-See Burggelände kaum Vieh gehalten wurde und die Burgmannen ihre Nahrung für sich und ihre Pferde direkt von den drei Bauern aus Revenahe und Kammerbusch bezogen, da diese Höfe den von Borchs gehörten (Vörder Register) und abgabenpflichtig waren.

 

In der Beckdorfer Schulchronik schreibt Lehrer Alpers:

„Beim Auswerfen des Grenzgrabens, hart an der Insel, haben die beiden Anbauer J. D. Allers und Albert Hohl ein Boot gefunden und bloß gelegt. Statt dasselbe als ein wertvolles Altertumsstück der Mit- und Nachwelt zu erhalten, haben sie es sich ehrlich geteilt und zu dem Ende es getrennt und dann als Bau- und Nutzholz verwendet.

Der jetzige Altenteiler J.D. Allers hat mir (Lehrer Alpers) im Winter 1886/87, als im Hause seines Schwiegersohnes des Schulbrandes wegen die Schule war, ein starkes Brett - festes Eichenholz - von dem gefundenen Boot gezeigt.“

Der ehemalige Bürgermeister Johannes Prigge erzählte, dass beim Torfgraben immer wieder Holzpfähle gefunden wurden. In den Kriegsjahren, also 1939 – 1945, hatte man dann sogar das komplette Brückentor aufgefunden, aber auch zerstört, damit das weitere Abgraben des Torfes nicht untersagt würde.

 

In einem Zeitungsbericht des Buxtehuder Wochenblattes (Folge 74 – 76 1911) wird das Beckdorfer Moor mit einer Tiefe von 3-4 Meter am Dann-See angegeben.

Zur Westseite, Richtung Kammerbusch jedoch nur mit ¾ bis 1 Meter. Zur Beschreibung der Burg wird folgendes berichtet:

„Die Eichenpfähle, auf dem die Gebäude standen, waren im Durchmesser 40 bis 50 cm stark, die eigentliche Burg bestand aus zwei Gebäuden, die rechtwinklig zueinander standen. Gebaut aus Fachwerk und schweren, aber mangelhaft gebrannten Ziegeln. Ein gepflasterter Hof fehlte, auch wurden keine Glasscherben gefunden, die Fenster waren daher wohl aus Fellen oder geöltem Papier. Das Dach war mit gebrannten Pfannen gedeckt.

Außerdem standen dort noch kleinere Gebäude, Viehställe und ein Backofen; er gleicht denen unserer Bauern.

Alle Gebäude standen auf Pfählen, die ganze Insel war von mannshohen Palisaden umgeben, nach Kammerbusch hin besonders fest, an der entgegen gesetzten Seite unterbrochen, weil das Moor dort breit und tief war.

Der unmittelbare Eingang war besonders gesichert mit einer Art Aufzug, denn nach dort hin zogen sich auf einer kurzen Strecke zwei Reihen senkrecht stehender Pfähle außerhalb der Palisaden.

Beim Torfgraben wurden zwei Kähne gefunden, einer ging nach Wiegersen, ein weiterer, etwa vor 40 Jahren ausgegraben, wie beschrieben nach Beckdorf.

Als Zeitpunkt der Belagerung werden die ersten Monate im Jahre 1311 angenommen.“

 

In vielen Gesprächen konnte ich die Ratsmitglieder der Gemeinde Beckdorf überzeugen, dass diese historische Stätte  der Allgemeinheit zugängig gemacht werden sollte. Im Rahmen einer Ausgleichsmaßnahme für den Bebauungsplan Nr. 26 wurden die Grundstücke des ehemaligen Burggeländes erworben und im Sommer 2003 konnte mit einer Grabung durch die Kreisarchäologie begonnen werden.

Die Bilder zeigen Bernd Wiegers beim Ausbaggern der ersten Suchschnitte im Herbst 2002, Bürgermeister Siegfried Stresow und Dietrich Alsdorf von der Kreisarcheologie schauen interessiert zu.

 

 

 

 

 Im Sommer 2003 begannen die Grabungen auf dem Gelände der ehemaligen Dann- See- Burg. Im Auftrag der Kreisarcheologie haben verschiedene Grabungsteams die Grundrisse der der Burganlage freigelegt, nach genauer Kartierung wurden die Grabungen beendet.  

 Nochmals fand man 41 Steinkugeln mit einem Durchschnittsgewicht von 49,7 kg; diese Steine sind auf dem „Beekhoff“ aufbewahrt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von links: G. Wiegers, P. Heinbockel, H.-J. Bredehöft, H. Lühmann beim Auslegen der ehemaligen Gebäude

 

 

 

 

                                                                                            

Eindeutig ist die Palisadenmauer, die zum Schutz der Burg gebaut wurde nachgewiesen, ebenso der Standort der Gebäude, sowie der Zugang der Burg vom Süden mittels einer Hubbrücke. Das ganze Areal  umfasst ca. 60 x 40 Meter und wird an drei Punkten von Eichen markiert. Man darf annehmen, dass diese Bäume bei der Grabung im Jahre 1859 gepflanzt wurden.

 

 

 Dem Betrachter der Dann-See Burg bietet sich heute folgendes Bild: Der Verlauf der Palisadenmauer wird durch eine Buschhecke dargestellt. Der Gebäudestandort ist mit Steinen markiert, deren Innenbereich mit Steinschotter aufgefüllt ist. Eine vertiefende Darstellung gibt die vor Ort aufgestellte Informationstafel.

 

Foto: U. Monsees, Stade

 

Ein Modell von der Belagerung der Dann-See Burg ist im Haupthaus auf dem „Beekhoff“ aufgebaut, um damit dem Besucher einen faszinierenden Einblick in die Burganlage vor 700 Jahren zu vermitteln.

 

 

Beim Bau des Dioramas hat Detlef Nordmann seine Vorstellungen der Belagerung in Abstimmung mit der Kreisarchäologie umsetzen können:

Der Himmel ist gekennzeichnet von aufziehenden düsteren Wolken, am hinteren Rand des Modells brennen zwei Höfe, links im Hintergrund ist das Zeltlager der Belagerer aufgeschlagen.

 

 

 

Unheil drohte  den Burgmannen um Hinrich von Borch, er hat die Zufahrt über den Knüppeldamm zu seiner Burg zerstören lassen, der Damm wurde aber von der zum Angriff entschlossenen Streitmacht ausgebessert.

 

Ein totes Pferd liegt achtlos im Moor, ein Ochsengespann bringt Steine von den Schlagplätzen zu den Bliden (Hebelarmwurfgeschütze), diese sind zum Beschuss der Burg ausgerichtet, der Standort ist der Wurfweite mit den ca. 40 bis 50 kg schweren Steinen angepasst.

 

 

In der Mitte ist der Schlagplatz für das Behauen der Steine zu sehen. Sicherlich haben die Bewohner der umliegenden Orte bei der Belagerung Fronarbeit leisten müssen. Lautes Geschrei gehörte wohl zum tumultartigen Treiben der Ritter, die darauf bedacht waren, möglichst schnell die Burg zu zerstören, um ihre Heimreise antreten zu können.

 

 

 

Die Burg liegt in einem See, umgeben von unwegsamem Moor, kleine Wasserlöcher zeigen den hohen Wasserstand an.

 

Sie mag lange Zeit als uneinnehmbar gegolten haben, nur so ist der große Aufwand der Belagerer zu verstehen:

„Aufbau der Zeltlager für die Ritter, Grabungen nach geeigneten Steinen für den Beschuss der Burg, Steinhauer beschlagen die Steine auf das notwendige Gewicht von ca. 45 kg. Befestigen der Zufahrten durch sog. „Knüppeldämme“. Die Versorgung mit Lebensmitteln wurde wohl durch das Ausrauben in den umliegenden Dörfern gelöst, die Bewohner haben sicherlich sehr unter der Belagerung der Burg gelitten.


 

 

Eine Zufahrt zur Burg ist nur über die Brücke möglich, die aber durch eine Hubbrücke am Torhaus versperrt ist.

 

Sollte man versucht haben, durch den See zur Burg zu gelangen, wäre man sicher im morastigen Untergrund versunken bzw. von den Verteidigern der Burg mit Pfeilen beschossen worden.

 

 

 

 

Auch eine Drohgebärde durch das Anzünden einiger Höfe in Revenahe konnte den Ritter Hinrich von Borch nicht zur Aufgabe bewegen.

 

So lief alles auf den Beschuss durch die beiden Bliden hinaus. Im Laufe der Zeit konnten über 1000 Steine (Wurfgeschosse) aufgefunden werden, die noch einmal die erbitterte Härte und den Willen zur Zerstörung der Burg unterstreichen.

 

 

 


 

Die eigentliche Burganlage besteht aus dem großen Torhaus, gleich daneben ein weiteres mit Ziegeln errichtetes Haus. Beide Dächer sind mit so genannten Mönch- und Nonne-Ziegeln bedeckt. In diesen Häusern lebten wohl die Ritter und ihre Bediensteten. Die anderen Gebäude waren mit Stroh gedeckt, die Wände sind verbrettert und dienten wohl zur Unterbringung der Vorräte, als Viehstall und als Werkstatt, ein Backofen steht am Nordrand.

 

Umgeben ist die Burg mit einer übermannshohen Palisade, teilweise mit Wehrgängen zur Verteidigung der Burg.

 

 

Innerhalb des Burghofes sind Pferde, Rinder, Schweine und Ziegen zu erkennen, die Burgmannschaft war sicher auf eine längere Belagerung eingerichtet. Ein kleiner Tümpel diente den Tieren als Suhle, auf dem Gelände sieht man Torf- und Brennholzhaufen.

 

Wann der Angriff auf die Dann-See-Burg begann, ist nicht genau zu bestimmen. Alle Erkenntnisse gehen davon aus, dass dieser in den ersten Monaten des Jahres 1311 erfolgte. Im Beckdorfer Moor ist seit fast 700 Jahren Ruhe eingekehrt, das Diorama versetzt uns aber in diese Zeit zurück.